Wir wollen authentisch sein, Frieden spüren, frei von Angst sein, uns nicht mehr einsam fühlen und das Leben zelebrieren, es genießen und ein wahrhaft sinnvolles Leben führen. Das ist unser aller Wunsch, unser innerer Antrieb, weshalb wir morgens aufstehen und warum wir hier im Satsang sind.
Um die Vollkommenheit und Perfektion des Lebens zu erfahren, ist es notwendig zu erkennen, dass wir uns im Feld der Gedanken aufhalten. Doch im ständigen Denken gibt es keine Lösung für unser Gefühl des Mangels und unsere tiefe Unzufriedenheit. Erst wenn wir tief verstehen und die innere Reife erlangen, dass wir im ständigen Denken niemals eine befriedigende Lösung finden, können wir über das Denken hinausgehen, jenseits unseres Verstandes.
Radikal gesagt: Alles, was wir uns den ganzen Tag über erzählen, ist im Grunde genommen ein Märchen. Es ist eine Geschichte. Es gibt die Geschichte von Andreas, von Achim, von Ingrid, Petra, Alexandra, Susanne, Georg, Dietmar – unzählige Geschichten. Solange wir uns in unseren Geschichten aufhalten und sie für Wahrheiten halten, gibt es kein Gefühl der Vollkommenheit, der Perfektion oder der Einheit mit dem Leben.
Die Befreiung finden wir nicht im Denken, egal wie intelligent unser Verstand auch sein mag. Er bleibt eine Geschichte, eine Konstruktion innerhalb des Märchens, innerhalb der illusorischen Welt, der Zeit, des Ich's und des Du's. Der Verstand schafft Trennung und ein verzerrtes Bild der Realität. Die Vollkommenheit, die Befreiung, die Erlösung, die Auflösung, die Unsterblichkeit und die Grenzenlosigkeit finden wir jenseits des Verstandes. Das ist ein unumgängliches Gesetz.
Wir können uns noch so sehr in unserem Denken verlieren – wir werden das Urproblem der Trennung nicht überwinden, denn der Glaube an Gedanken schafft diese Trennung. Das bedeutet, dass wir uns selbst den Zugang zu unserer Vollkommenheit verwehren, indem wir an unser Denken glauben. Doch wir sind Bewusstsein – formlos, ewig, zeitlos, unveränderlich. Und in diesem Mysterium gibt es unser Denken, mit dem wir uns als Ganzes identifizieren, und dadurch verlieren wir unsere wahre Perspektive und fühlen uns plötzlich getrennt – als Andreas, als Petra, als Achim, als Ingrid, als Georg, als Susanne.
Obwohl wir das große Ganze sind, rennen wir als scheinbare Individuen durch Raum und Zeit. Und dann versuchen wir, mit unserem Denken Lösungen zu finden, Frieden zu erlangen, die Einheit zu erreichen, unsere wahre Heimat zu finden. Doch genau dieses Denken führt uns in die scheinbare Trennung. Die Wurzel all unserer Probleme ist der Glaube an Gedanken und jeder Gedanke ist aus der absoluten Sicht eine Illusion. Der Gedanke sagt: Es gibt Andreas mit einer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch aus der Sicht des Absoluten ist Andreas geträumt, die Zeit ist geträumt, die Erfahrungen, Gefühle und Gedanken sind geträumt.
Es gibt nur den unendlichen Moment und nichts darin ist so, wie unser Verstand es uns erzählt. Der Verstand sagt, da draußen gibt es eine Welt. Doch in Wirklichkeit gibt es keine Welt da draußen. Der Verstand sagt, es gibt mich und es gibt dich. Aber es gibt nur reine Energie, die sich einmal so und einmal anders manifestiert.
Der Verstand sagt, die Materie ist real, die Objekte sind real. Doch es gibt keine reale Materie, nur Frequenzen, Schwingungen. Die Energie, die wir sind, schwingt in unterschiedlichen Frequenzen, aber nichts davon ist wirklich materiell. Der Verstand sagt, es gibt Zeit, die Uhr dreht sich, Tag und Nacht wechseln sich ab. Doch in Wirklichkeit gibt es keine Zeit. Die Uhr bewegt sich, so wie sich das Farbenspiel des Himmels verändert, aber das ist keine Zeit.
Der Verstand hält uns in einem Märchen gefangen, in einer Geschichte. Und darin erleben wir Trennung, Angst, Einsamkeit, Neid, Schuld und Scham. All das existiert nur, weil wir unseren Gedanken glauben. Doch wir können nicht einsam sein, weil wir das große Ganze sind. Wir sind das Leben – wie könnte das Leben einsam sein? Das Leben kennt keine Angst. Es ist der Verstand, der sagt: „Ich habe Angst, weil ich mich getrennt fühle.“ Das Leben ist auf nichts eifersüchtig, weil es nur das Leben selbst gibt.
Alle schmerzhaften Gefühle, die wir durch unser Denken erzeugen, zeigen uns, dass wir uns von unserer Ganzheit abwenden. Wir ignorieren unsere Perfektion, unser wahres Sein. Wir ignorieren uns selbst und versuchen, mit unserem Denken eine Lösung zu finden. Doch was bleibt übrig von unserer Geschichte, wenn wir sie loslassen? Was bleibt von unserem Namen, wenn wir uns nicht benennen? Wo ist unsere Vergangenheit und Zukunft, wenn wir nicht daran denken? Wo ist die Welt, wenn wir nicht an sie denken?
Der Moment ist hier, aber das bedeutet nicht, dass es eine Welt gibt. Es ist die vollkommene Essenz dieses Augenblicks, aber da gibt es keine Welt, nichts außerhalb dieses Moments. Alles ist ein Märchen.
Was bleibt von „Ich“ und „Du“, wenn wir nicht an uns oder an den anderen denken? Wo ist die Angst, wenn ich mir nicht sage, dass ich Angst vor A, B oder C habe? Was bleibt von all dem Leiden, wenn ich die Geschichte beende? Wenn ich aufhöre, mir das selbst zu erzählen? Wenn ich offen bin für den Moment, wie er ist, und nicht, wie er laut meinem Verstand sein sollte oder nicht sein sollte?
Was bleibt übrig, wenn wir unser Denken stoppen?
Dann gibt es keine wirkliche Angst mehr, keine wirkliche Einsamkeit, keine wirkliche Krankheit. Es gibt nur Empfindungen, Gefühle und diesen Raum des Bewusstseins - unpersönlich. Wo ist das „Ich“, wenn ich aufhöre zu denken? Gibt es überhaupt noch etwas Persönliches, oder ist alles einfach nur Energie, die sich aus sich selbst heraus bewegt? Wo ist das „Ich“, wenn ich alle Gedanken fallen lasse und bewusst und präsent hier bin?
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