Zu Beginn möchte ich ein wenig über das Ego sprechen – was es ist, woher es kommt und wie es wieder zurück in die Ganzheit findet. Das Ego ist nicht unser innerer Feind. Es ist ein abgespaltener Seinsanteil unserer Ganzheit, der sehnsüchtig wieder zurück in die Ganzheit, zurück nach Hause möchte, aber oft den Weg nicht findet.
In der spirituellen Szene hören wir oft, dass das Ego getötet werden soll, dass es unser Feind ist. Doch das ist eine Illusion. Wenn wir das Ego töten wollen, bestätigen wir uns selbst als dieses Ego. Das Ego ist nichts anderes als das Gefühl der Trennung. Auf dieses Gefühl der Trennung setzt sich dann der persönliche Besitzer – das Haben-Wollen und Nicht-Haben-Wollen, das Kontrollieren, Manipulieren, Unterdrücken, Vergleichen, Bewerten und all das, was wir kennen.
Wie entsteht dieses Ich-Gefühl, wie entsteht das Gefühl der Trennung, das Ego? Hier muss ich mich eines Konzepts von Buddha bedienen, der gesagt hat, es sei ein göttlicher Unfall von Gott selbst. Was hat er damit gemeint? Ich versuche es mit meinen Worten zu erklären.
Wir sind die Ganzheit, das zeitlose, ewige, unsterbliche Bewusstsein. Wir sind das, was niemals kommt und niemals geht, worin in Wirklichkeit niemals real etwas passiert. Als dieses Bewusstsein beinhalten wir als Substratum, als Potenzial, alle Zeiten, alle Erfahrungen, alle Umstände, alle Beziehungen, alle Gedanken, alle Gefühle. Alles, was jemals erschienen ist und jemals erscheinen wird, ist bereits als unsichtbarer Inhalt in uns und ist ebenfalls aus Bewusstsein.
Das Bewusstsein, das wir sind, ruht im Tiefschlaf und kreiert einen Traum, um sich durch diesen unsichtbaren Inhalt zu erfahren. Das Bewusstsein macht diesen unsichtbaren Inhalt sichtbar. Dieser gegenwärtige Moment ist der sichtbar gewordene Bewusstseinsanteil unserer wahren Natur. Und jetzt kommt das, was Buddha den göttlichen Unfall nennt: Wir als Bewusstsein sind so fasziniert und abgelenkt von unseren selbsterschaffenen Formen, von unserem selbsterschaffenen Traum, dass wir die Ganzheit, die Vollkommenheit, die Perfektion und die Zeitlosigkeit aufgeben und uns in der Form verlieren. In diesem Fall jetzt in der Form unseres Körpers, unseres Menschseins.
Das heißt, wir sind nach wie vor das große Ganze, verlieren uns aber in der Form. Das ist der göttliche Unfall: sich nicht mehr selbst zu erkennen, sich illusorisch scheinbar von sich selbst abgespalten zu haben und sich als getrenntes Individuum zu erfahren. Dieses Gefühl der Trennung ist das Ego, das Ich. Da wir instinktiv fühlen, dass dieser Zustand der Trennung nicht natürlich ist, gehen wir auf die Suche nach Liebe, nach Frieden, nach Freiheit, nach Beziehungen, nach Berufung, nach Potenzial. Wir suchen aus unserem Mangelbewusstsein heraus als Ich das Heil in neuen Formen.
Die Form versucht, sich einer neuen Form zu bedienen in der Hoffnung, dass darin wieder das große Ganze erscheint, dass darin das große Glück, die Glückseligkeit, gefühlt werden kann. Das ist temporär möglich. Solange wir uns als das Ich erfahren, können wir uns mit Hilfe eines neuen Objekts oder einer weiteren Form kurzzeitig glücklich, frei und friedlich fühlen. Wenn wir unseren Traumpartner gefunden haben, wenn unsere Kinder so groß geworden sind, wie wir es uns vorgestellt haben, wenn wir unseren Beruf gefunden haben und dort unser Potenzial und unsere Kreativität ausleben können, fühlen wir uns glücklich.
Die Frage ist nur: Wie lange hält dieser Zustand wirklich an? Wir wissen, dass es nicht dauerhaft anhält. Dann beginnt der Irrweg wieder – eine neue Beziehung, eine neue Erfahrung, ein neuer Umstand wird herbeigesehnt. Das ist dieser Egoanteil, das Ich-Gefühl, das Gefühl der Trennung, das nichts anderes möchte, als wieder zurück in den großen Ozean des Seins zu finden. Nur ist das Gefühl der Trennung nach außen gerichtet, nach vorne gerichtet, weiterhin in der formlosen Welt ausgerichtet. Das ist dieser ständige Kampf, dieser ständige Irrweg von "Ich will dies haben, ich will das haben". Wenn ich es bekomme, wunderbar, wenn nicht, fühle ich mich weiterhin getrennt und laufe wie ein Hamster im Rad weiter.
Das ist der göttliche Unfall: sich in den formhaften Objekten zu verlieren und nur noch Formen zu sehen, nicht mehr sich selbst als das Formlose zu erkennen. Was ist nun der Weg? Was ist der Weg, diesen göttlichen Unfall zu überwinden, der nicht vermieden werden kann, der zum Spiel genauso dazu gehört wie das Zurückerinnern, wer wir sind? Wie kommen wir aus dem Gefühl der Trennung, aus dem Gefühl des Ich-seins, wieder zurück in die Erkenntnis, dass wir sowieso über alle Zeiten das große Ganze sind?
Es geht natürlich nicht um Abwendung, sondern um Zuwendung. Es geht um den tantrischen Weg, den Moment so, wie er jetzt ist, mit all unseren Gedanken, mit all unseren Gefühlen, mit all unseren Empfindungen und Umständen energetisch zu umarmen und Raum zu schenken. Wenn wir das tun, beginnt das Ego, das Ich-Gefühl, sich in dieser Öffnung, in dieser Geduld, in dieser Liebe für den Moment hier aufzulösen und aufzuweichen. Wir erkennen plötzlich, was wir wirklich sind: das unsichtbare, unsterbliche, formlos Bewusstsein, das sich eine Zeit lang genau als diese Form spielt, diese Form eines Tages wieder ablegt und sich eine neue Form träumt und sich weiterhin in diesem Traum erfährt.
Wenn wir das Gefühl der Trennung nicht fühlen, nicht ansehen, unsere Gefühle und Gedanken bekämpfen und den Moment bekämpfen, verlieren wir uns weiterhin in den Formen und das Rad der weltlichen und spirituellen Suche geht ewig weiter. Das ist nicht falsch, daran ist nichts falsch. Ich kann immer wieder nur darauf hinweisen, wer wir sind, was wir sozusagen nicht real sind und wie wir wieder in diesen leidlosen, angstfreien, unsterblichen Zustand unserer wahren Natur zurückkommen.
Macht das Sinn? Macht das Sinn, dass wir im Tiefschlaf unserer eigenen Vollkommenheit am nächsten sind und sobald dieser göttliche Unfall entsteht, wenn wir aufwachen und hier einen Traum träumen – sei es Tagtraum oder Nachttraum –, dass hier bereits die Schadensbegrenzung beginnt, der Kampf beginnt, das Spiel der Dualität beginnt und wir uns nur danach sehnen, in den friedlichen, vollkommenen Zustand zurückzukehren, den wir im Tiefschlaf haben? Fühlt diese Wahrheit. Wenn es uns nicht gut geht, wenn wir müde sind oder krank, legen wir uns ganz von selbst schlafen, kehren zurück in die Einheit des Schlafs, wo es keine Welt, kein Ich-Gefühl, keine Gedanken, Gefühle, Beziehungen, keine Angst vor dem Tod, keine Angst vor der neuen Geburt gibt. Wo es keine Konzepte über Gott, Spiritualität, ein Diesseits, ein Jenseits oder eine geistige Welt gibt. Spürt, dass dies der freiste Zustand überhaupt ist und dass alles, was danach kommt, Schadensbegrenzung ist. Dass es einfach der verzweifelte Versuch ist, egal was wir als Menschen tun, nur um wieder in die Ganzheit zurückzufinden.
Wir glauben, dass es uns um Liebe geht, um eine schöne Beziehung, um viel Geld, um Gesundheit, um einen Traumberuf oder was auch immer. In Wirklichkeit geht es uns nur um eines, und das können wir erforschen, wenn wir offen sind: Sobald wir aufwachen und diesen Tagtraum träumen, wollen wir uns selbst vergessen. Im nächsten Bissen des Butterbrots, das so gut schmeckt, möchten wir uns selbst vergessen. Für eine Sekunde ist nur noch der Geschmack da, nicht mehr der Besitzer des Butterbrots, nicht mehr der Besitzer des Geschmacks, sondern nur der Geschmack. Alles, was wir von früh bis abends tun, solange wir uns als getrenntes Ich erfahren, dient nur dazu, mit dem Moment zu verschmelzen und uns selbst zu vergessen. Wir wollen nur zurück in das große Ganze, übersehen das aber und glauben, es ginge um etwas anderes.
Es geht uns immer nur darum, dass wir uns gut fühlen, dass wir uns im Spiegel betrachten können und uns absolut selbst vergessen als getrenntes Individuum. Mutter Teresa sagte: "Ich tue die guten Taten nur deswegen, damit ich mich selbst vergesse." Und wenn wir offen und ehrlich zu uns sind, tun wir alles aus der Energie des Egos heraus, aus der Energie des Ichs. Bei dem einen sieht man die Egostruktur stärker, beim anderen weniger. Aber selbst ein Mensch, der alles tut, was die anderen wollen, bestätigt sich ebenfalls als Ego: "Ich mache das, was die anderen von mir wollen, um keinen Konflikt zu haben, um mich nicht schlecht zu fühlen." Es ist wieder das "Ich möchte dies haben, und ich möchte das nicht haben."
Solange wir uns als Ich erfahren, ist jede Bewegung, jede Handlung, jeder Gedanke ich-bezogen, ego-bezogen – manchmal schöner verkleidet, manchmal nicht so schön verkleidet. Daran ist nichts falsch. Wenn wir uns als das große Ganze erkannt haben, das Bewusstsein, geschehen zwei Dinge: Es wird mehr losgelassen von Haben-Wollen und Nicht-Haben-Wollen. Es ist oft das absichtslose Dasein einfach da. Und jetzt kommt der springende Punkt: Es gibt doch immer ein Haben-Wollen und ein Nicht-Haben-Wollen, aber nicht mehr aus der Identifikation heraus, nicht mehr aus dem Gefühl des Mangels heraus, sondern aus dem ursprünglichen Gefühl des Herzens heraus: „Oh, wie schön es ist, hier zu sein. Oh, wie schön es ist, diese Liebe zu teilen. Oh, wie schön es ist, sich zu bewegen, zu tanzen.“ Wenn sich das Herz öffnet, kommt ein anderes Haben-Wollen, ein anderes Nicht-Haben-Wollen. Es ist nicht mehr der kleine Besitzer, der sich durch dieses oder jenes erfüllen will, sondern es ist der Ausdruck des Herzens, der Liebe, der Freude, der Kreativität.
Solange wir uns in der Ich-Identifikation befinden, ist es gut, dem Ego die richtige Richtung zu geben, zu fühlen: "Okay, hier ist mein Gefühl der Trennung, hier ist mein Haben-Wollen und Nicht-Haben-Wollen, hier ist mein Bedürfnis nach Liebe, nach Frieden, nach Freiheit. Es geht aber in Wirklichkeit nur um eines: Wieder nach Hause zurückzukehren." Diese Bereitschaft hilft uns, den Moment zu umarmen und uns in der Liebe des Augenblicks, in der Liebe des Herzens, der Liebe unserer wahren Natur zu verlieren und zu erkennen, dass wir niemals wirklich verloren waren. Wir haben uns nur in der Form verloren und erkennen jetzt, dass wir immer das große Ganze waren und sind.
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